In den Medien werden unsere Nutztiere heute oft sehr einseitig als Klimasünder dargestellt. Betrachtet man das Ganze etwas genauer, erhält man aber ein anderes, vielschichtigeres Bild. Das Rind ist nicht umsonst seit über 10.000 Jahren treuer Begleiter des Menschen. Durch seine besonderen Fähigkeiten hat es uns maßgeblich bei der Entwicklung der großen Zivilisationen unterstützt.
Die Geschichte des Rindes
Ich möchte dazu etwas weiter ausholen, denn es stellt sich die Frage, warum sich der Mensch am Ende der letzten Eiszeit ausgerechnet das Rind (Bos Taurus) zur Domestizierung ausgesucht hat? Es hat viel einfacher zu haltende Tiere gegeben, die ja auch domestiziert wurden (Schwein, Schaf, Ziege) und trotzdem hat besonders das Rind einen so hohen Stellenwert erhalten. Und das, obwohl es ungleich größer und schwerer ist als der Mensch und in seiner Urform als Auerochse auch noch ein wildes Temperament hatte, das gezähmt werden musste.
Das Rind – Energiegewinner & -aufwerter
Neben dem Nutzen aus Horn (Trinkgefäße), Fell (Kleidung), Knochen (Schmuck und Werkzeug) findet sich die Antwort dazu im Bauch unserer Kühe versteckt. Unsere Rinder sind Wunderwerke der Energiegewinnung. Sie besitzen 4 Mägen: den Pansen, den Netzmagen, den Blättermagen und den Labmagen. Durch dieses komplexe Verdauungssystem und durch das Wiederkäuen der Nahrung gelingt es ihnen, auch aus den einfachsten Pflanzen noch wertvolle, für den Menschen nutzbare Energie zu gewinnen.
Für den Menschen bei Nahrungsmangel, auf Wanderschaft oder in nicht fruchtbaren Jahreszeiten war das Rind also ein perfekter Energieumwandler und -speicher. Das gutmütige Wesen und der Umstand, dass der Mensch auch noch gelernt hat die Milch der Kuh zu verwerten, ist ein wesentlicher Baustein in der Entwicklung unserer Zivilisationen. Von Anfang an spiegelt sich die hohe Wertschätzung des Menschen auch in der religiösen Bedeutung des Rindes wieder. Ob in Indien oder bei den alten Ägyptern, in der Vorstellung der Menschen von damals findet sich die Kuh in den wichtigsten Thesen über den Ablauf der Natur wieder. Die Ägypter zum Beispiel stellten sich das Firmament als riesigen Uterus der Kuh vor. Ein Hinweis auf die Wertschätzung unserer Vorfahren gegenüber dem Rind als wertvollen, unverzichtbaren Nahrungslieferanten besonders in schwierigen Zeiten.
Vom Rinderhalter zum Fleischproduzenten – Was hat sich geändert?
Heute bezeichnen sich viele Landwirte nicht mehr als Rinderhalter, sondern als Milch- oder Fleischproduzenten. Im ersten Augenblick nur eine harmlose Veränderung im Wortlaut, drückt es doch den Verlust unserer Wertschätzung den Tieren gegenüber aus. Grund hierfür ist die verlorengegangene Bindung und Nähe von uns Landwirten zu unseren Tieren durch zu große Haltungssysteme. Aber auch die fehlende Bindung des Konsumenten, der in der Stadt oft nur mehr aus Film und Fernsehen Tiere und Landwirtschaft kennt und so kaum eine Möglichkeit hat, für die Tiere ein Verständnis und Wertschätzung zu entwickeln. Ein direkter Link zur Frage, warum immer noch viele Menschen in den Supermärkten zu Aktionsfleisch und Billigprodukten greifen.
Aus Sicht eines Landwirtes möchte ich vorrangig die Dinge verändern, auf die ich direkten Einfluss habe und hier gehört zur Wertschätzung der Tiere und deren Tierwohl auch die Größe der Haltungsform mit einbezogen. Ich denke, ein domestiziertes Tier wie unser Rind darf auch Anspruch auf eine dem Menschen nahe und verbundene Haltungsform haben.
Vermeintlicher Klimasünder Rind
Der Fleischkonsum muss kritisch betrachtet werden und auch der Ausstoß von Methan als klimaschädliches Gas muss in die Diskussion natürlich mit einbezogen werden. Betrachtet man aber die einfache Rechnung vieler Gegner von Fleischkonsum, die da heißt – je weniger Tiere von den Feldern ernährt werden, desto mehr Menschen können direkt von den Produkten dieser Felder leben – so ist diese schlichtweg falsch. In einer aktuellen Studie der FAO stellt sich heraus, dass 77 % der Produktionsfläche von tierischen Futtermitteln nicht als Grasland für den Anbau von Nahrungsmitteln für uns Menschen geeignet sind. Hier ist das Rind eigentlich ein Klimafreund, denn beim Beweiden aktiviert es das Pflanzenwachstum und bindet so eine große Menge an Sonnenenergie in unsere Nahrungskette ein. Ein Faktor, der in der Betrachtung vom Methanausstoß zu wenig beleuchtet wird. Auch die Information aus früheren Studien die besagten, dass zur Herstellung von 1 kg Rindfleisch 6-20 kg Getreide notwendig sind, haben sich als falsch herausgestellt. Global gerechnet sind es etwa 3 kg laut aktueller FAO Studie.
Wasserkonkurrenz wird immer wieder als Kritikpunkt verwendet, hier gibt es aber einen einfache und klare Antwort: Rinderhaltung muss immer auf die vorhandenen Ressourcen abgestimmt werden. Werden Tiere aus unterirdischen Wasservorräten gespeist oder stellen sie eine Konkurrenz zur Wasserversorgung von uns Menschen dar, so ist das klar abzulehnen. Findet die Tierhaltung so wie bei uns in Gebieten statt, wo genügend Wasser vorhanden ist, kann dieses Argument aber nicht gelten.
Landschaftspflege wie beim Beweiden unserer Almen ist ein weiterer positiver Effekt unserer Rinderhaltung auf das Ökosystem und unsere Kulturlandschaft.
Aus diesen Fakten lässt sich erkennen, dass unser Rind nicht umsonst einen so hohen Stellenwert bei unseren frühesten Vorfahren hatte. Es war und ist Garant für eine globale Ernährungssicherheit, da kein anderes Tier die Energie aus einfachem Grasland so um- und aufwertet, dass sie für uns Menschen von Nutzen sein kann.
Bewusster Fleischkonsum – Klimaschutz, Tierwohl & Ernährung
Wie sollen wir diese Dinge nun unter einen Hut bringen? Ich bin einfacher Landwirt und versuche mit offenen Augen das zu beleuchten und zu verstehen, was ich vor mir sehe. Zusammenfassend möchte ich sagen, dass es einen genaueren Blick darauf braucht, ob und in welcher Form Tierhaltung ökologisch sinnvoll und vertretbar ist oder eben nicht. Dazu gehört auch zu hinterfragen, welche Menge an Fleisch wir verzehren möchten. Diese Menge muss abhängig sein von regionaler Verfügbarkeit der Ressourcen und artgerechter Größe der Haltungsform. So kann es dann auch einen nachhaltigen, bewussten Fleischkonsum geben, der gut für die Umwelt, die Tiere und schlussendlich auch gut für die Gesundheit ist.
Ich hoffe, ich konnte mit diesem Artikel beleuchten warum wir uns für die Rinderzucht entschieden haben, zum Denken und auch Recherchieren anregen und freue mich über regen Meinungsaustausch zu diesem Thema.
Mit herzlichen Grüßen von Putz Hof,
Euer Roland Pühringer
2 Gedanken zu „Rinder – Klimasünder oder Stütze unserer Ernährungssicherheit“
Also für mich ist der Mensch das Rindvieh und der Klimasünder.
Wenn Rinder mal pfurzen und rülpsen, soll es so sein.
Die Masse macht es aus, wie du auch geschrieben hast.
Den Blog finde ich sehr gut geschrieben.
Die bewusste und gesunde Ernährung ist für mich wichtig. Aber auch der Genuss!
Rindfleisch ist z. B. ein so guter Eisenlieferant, dass ich gar nicht zu viel essen darf davon, weil ich eine Eisenspeicherkrankheit habe.
Also ich bin sehr froh und dankbar, euch in der Nähe zu haben.
Liebe Susanna!
Vielen Dank für die netten Worte und Dein Feedback zu diesem Thema.
Ich bemühe mich so gut es geht die Dinge in ihrer Gesamtheit zu erfassen.
Gelingt leider nicht immer!
Wichtig ist mir aber, dass unser Projekt nach bestem Ermessen gut für uns und unsere Umwelt ist.
Ich finde es toll, dass Du den Genuss erwähnst. Ein Mehrwert der in den Diskusionen oft vergessen wird.
Es wäre eine traurige Welt wenn wir Alles nur auf Zahlen und Fakten, gut oder schlecht für Gesundheit oder Umwelt reduzieren würden und dabei den Genuss, den unsere Lebensmittel uns schenken, außer Acht lassen!
Vielen Dank und glg Eoland